... oder: Zwei Wochen am Abgrund
Sind wir wirklich schon wieder seit drei Wochen zurück im deutschen Winter? – Kaum zu glauben. Und immer noch fehlt mein Post zur portugiesischen Insel im Atlantik? So zurückhaltend war ich wohl noch nie. Und das hat nicht nur mit meiner derzeitigen Schreibunlust zu tun...
Ich fange einfach mal am Anfang an, nämlich mit der Aussage, dass Madeira eine Wanderinsel ist. Das kann man allüberall lesen. Und hören von denen, die bereits dort waren.
Schön sind sie ja, die Fotos von den Levadas und den daran entlang wandernden Touristen. Warum also nicht? Schließlich haben wir schon so viele schöne Wanderungen gemacht, dass ich mir sehr gut vorstellen konnte, dass diese Insel einige ganz besonders Schöne für uns bereithalten könnte.
Um es kurz zu machen: Sie konnte. Aber leider stimmt die Aussage, dass Madeira eine Wanderinsel ist, nicht ganz. Richtiger müsste sie lauten:
Madeira ist nur eine Wanderinsel!
Unbedarfte mögen jetzt antworten: Ja, und? Dann wandert man halt, ist doch schön, oder?
Stimmt. Wenn man kann. Und nicht, so wie ich, unter Höhenangst leidet. Dann bleibt man besser unten. Und wer glaubt, dass es Levada-Wanderungen gibt, die nicht zwangsläufig an irgendwelchen Abgründen entlang führen, der irrt, denn irgendwann passiert jede Levada einen Felsvorsprung, zum Beispiel, oder hat der Regen über die Jahre eine Begrenzung wegbrechen lassen und dadurch den Weg dramatisch verschmälert. Schließlich sollen die Levadas die ganze Insel mit Wasser versorgen und sind nicht als Wanderwege angelegt worden, um Touristen zu beschäftigen. Vor diesem Hintergrund muss man das natürlich auch betrachten. Außerdem ist die ganze Insel ein einziger Felsen, es geht nur auf- oder abwärts. Ich beschwere mich nie wieder über unseren Garten in Hanglage...
Seis drum, ich habe zwei Wanderungen überlebt und bin stolz darauf. Wobei ich die Erste noch völlig unbefangen angegangen bin, ich ahnte ja nicht, was mich erwartet. Ich habe schließlich den Salvator-Weg auf Mallorca hinter mich gebracht, der angeblich nur für Wanderer geeignet ist, die völlig schwindelfrei sind – papperlapapp, das war ja gar nix – was sollte also groß passieren? Zumal wir uns einer Gruppe angeschlossen hatten, die von der großartigen Christa Dornfeld geführt wurde, einer Wanderführerin, die Madeira wie ihre Westentasche kennt und uns auch ihr Ferienhaus für diese zwei Wochen vermietet hatte. Streckenweise war diese Wanderung ein Traum:
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Wie im Märchenwald kamen wir uns vor an der Naturlevada.
Pause am Wasserfall – malerisch und saukalt.
1600 Meter hoch und der Wind pfeift gnadenlos.
Bis hierher war ich zufrieden, obwohl unsere Gruppe alles andere als homogen war, es waren Teilnehmer dabei, die wohl besser Trailrunning betreiben würden. Keine Ahnung, welchen Nutzen solche Leute aus einer Wanderung ziehen, von der gnadenlos schönen Umgebung links und rechts der Wanderroute können sie jedenfalls nichts mitbekommen haben.
Aber dann kam, was kommen musste:
Folgt mit den Augen einfach der Levada und Ihr seht irgendwann: Nichts! Keine Begrenzung, kein Geländer, einfach gar nichts...
Diese Fotos habe ich übrigens nicht gemacht, das hätte ich niemals gekonnt, aber Herr L. weiß ja gar nicht, was Höhenangst überhaupt ist...
See what I mean?
Schön ist es hier oben, sogar sehr schön, keine Frage:
Gegen Ende des Urlaubs hatte ich Alpträume von Abstürzen und war froh, dass der Urlaub endlich vorbei war. Obwohl ich auf meiner zweiten Wanderung erleben durfte, dass die Angsthöhe, so man denn Akrophobiker ist, sehr individuell ist, ich bin da wohl noch recht harmlos...
Aber nicht nur Wanderungen konfrontieren auf dieser Insel mit Höhe:
Cabo Girao, eine 578 Meter hohe Klippe mit Aussichtsplattform. Und damit man auch möglichst viel davon hat, darf man auf Glas stehen. Mein absoluter Alptraum...
Dafür sind die Aussichten natürlich gigantisch:
Und was kann man stattdessen machen? Sightseeing? Museumsbesuche? Essen gehen? – Alles ganz nett, aber da bietet die Insel nicht allzu viel. Schließlich hat man Porto Moniz gesehen, wenn man es gesehen hat. Da muss man nicht zwei Mal hin. Selbst der Unterhaltungswert von Funchal hat relativ enge Grenzen – auch, wenn ich diese Stadt wunderschön finde. Besonders zu Silvester:
Ich bin kein Fan von Feuerwerken (ist das nicht die reine Geldverschwendung?), aber das hier hat mir die Sprache verschlagen.
Ein paar der Kreuzfahrtschiffe, die im Hafen lagen - auf Reede nur für das Feuerwerk.
Wobei Funchal auch ohne Feuerwerk ein Lichterfest ist.
Die ganze Insel ist des Nachts hell erleuchtet, weil alles Andere viel zu gefährlich wäre.
Wenn Ihr also mal ganz zufällig in der Nähe seid zu Silvester, unbedingt angucken!
Auch unbedingt gesehen haben sollte man die Felsenbäder in Porto Moniz:
Im Frühling oder Sommer ist es bestimmt herrlich, hier in Meerwasser zu baden. Dieses hier ist übrigens kostenlos zugänglich.
Die Luft um die einzelnen Becken war erstaunlich warm. Golfstrom im Felsenbad, sozusagen.
Kleine und nette Ortschaften gibt es auf Madeira einige zu besichtigen, Porto da Cruz zum Beispiel.
Schnell erreichbar sind sie auch, da die Insel ja nicht sehr groß ist. Deshalb ist auch unbedingt ein Mietwagen zu empfehlen, sonst hat man bestimmt nicht viel von der Insel, selbst im Sommer. Denn ausgesprochener Badeurlaub dürfte hier kaum möglich sein... OK, für eine Woche vielleicht... Höchstens...
Sollte jemand von Euch planen, in naher Zukunft diese Insel zu besuchen (winke an Andrea), zeige ich Euch auch das Ekelhafteste, was ich jemals gesehen habe:
Ein madeirischer Cappuccino – zusammengebraut aus einem doppelten Espresso und flüssiger Sahne. Igitt, pfui, bäh... so etwas Ekliges hatte ich mein Lebtag noch nicht getrunken, es schüttelt mich noch heute. Kaffee ist hier grundsätzlich ein Problem, es gibt eigentlich nur den starken Schwarzen, entweder regulär als Espresso oder verdoppelt mit oder ohne Milch. Und besagten Cappuccino *schüttel* Selbst im Supermarkt kann man keinen ‚normalen‘ Kaffee kaufen, ich musste zwei Wochen lang leiden. Sollten wir tatsächlich nochmals diese Insel bereisen, weiß ich ganz genau, was zuerst in meinen Koffer kommt!
Lieber zurück zu den schönen Dingen - hier der Stoffladen, den ich in der Altstadt von Funchal entdeckt habe:
Hochwertige Stoffe gab es nicht – und Massenware habe ich genügend im Regal liegen. Aber egal, die Kleider, die aus den Stoffen entstehen, die ich erstanden habe, werden mich an Madeira erinnern... und hoffentlich nicht an Abgründe...
Funchal hat natürlich noch mehr zu bieten, z. B. den Markt:
Und wenn man sich den in Ruhe angeschaut hat, trinkt man davor im Café unter freiem Himmel... nein, keinen Cappuccino... ein Cerveza vielleicht? Oder einen Poncha. Und wird von einer Volkstanzgruppe dabei aufs Beste unterhalten.
Während man in der Avenida Arruaga eine riesige Weihnachtskrippe bestaunen kann:
Dass das Kamel gerade den Weihnachtsstern frisst, ist mir erst bei der Bearbeitung der Fotos aufgefallen :D
Madeira ist berühmt für seine Vegetation - und: Seine Gärten. Einen davon haben wir besucht, ich kann mir kaum einen Schöneren vorstellen: 'Monte Palace Garden', oberhalb von Funchal:
Es könnte sein, dass ich Euch in der nächsten Zeit noch ein paar Fotos zeigen möchte, ich habe aber noch nicht alle sichten können. Wundert Euch also nicht, wenn ich in den nächsten Wochen plötzlich wieder auf unseren Madeira-Urlaub zurück komme...
Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub und da unser Sommerurlaub längst fest gebucht ist, kann ich mich in Gedanken schon mal mit dem nächsten Winterurlaub befassen.
Ich weiß schon genau, wohin ich will, und auch Herrn L. scheint der Gedanke nicht allzu befremdlich zu sein. Jetzt beobachte ich Flugpreise und Belegung der Ferienhäuser, die für uns in Frage kämen. Und damit beschäftige ich mich viel lieber, als mit Madeira und den Abgründen *augenroll*
Habt noch einen wunderbaren Sonntagabend,